Social Impact Unternehmertum als Weg in den Schweizer Arbeitsmarkt

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«Gleich und gleich gesellt sich gern» - genau das Gefühl hatten wir,  als wir uns mit Tina Erb zum Gespräch getroffen haben. Als Geschäftsführerin von SINGA Switzerland, einer vom Migros-Pionierfonds unterstützten Social Impact Organisation, verfolgt sie eine ähnliche Mission wie wir: «SINGA» bedeutet «Verbindung» auf Lingala, das wird in der Demokratischen Republik Kongo gesprochen, und so unterstützt SINGA neu angekommene Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte durch unternehmerische Projekte bei einem ersten Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt und ermöglicht so wichtige Kontakte zur Bevölkerung.

Im Interview mit Tina haben wir über ihre Motivation, über die Chancen und Hürden des Unternehmertums für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte gesprochen und welchen Impact SINGA für eben diese hat.

Valeriana: Liebe Tina, was sind dein täglicher Antrieb und deine Motivation, dich für die Arbeitsintegration und die Menschen dahinter einzusetzen?

Tina: Bei mir ist es eine mega intrinsische Motivation. Einerseits, weil ich mir bewusst bin, wie privilegiert ich bin und mich dadurch irgendwie auch in der Pflicht fühle, Menschen zu unterstützen, die es nicht so einfach hatten. Andererseits ist es toll, mit so vielen Kulturen zusammenzuarbeiten. Trotz kultureller Unterschiede, merke ich jedes Mal, dass wir doch alle so gleich ticken. Ausserdem ist es eine super inspirierende Arbeit, wo ich total den Sinn der Sache sehe! Ich fühle mich sehr privilegiert, eine Arbeit zu haben, bei der ich so empfinden darf.  Ich denke, euch geht es bei Valeriana  in dem Punkt wahrscheinlich ähnlich.

Valeriana: Was ist das besondere an eurem Ansatz Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte über unternehmerische Projekte in den Arbeitsmarkt einzubinden?

Tina: Viele Studien haben gezeigt, dass gut ausgebildete Menschen es schwieriger haben, in der Schweiz einen Job zu finden, der den eigenen Qualifikationen entspricht. Viele Menschen, die zum Beispiel wegen Krieg in ein anderes Land müssen, in dem sie nichts verstehen und total abhängig sind von den Leuten vor Ort, landen schnell mal in einem Job, der schlecht bezahlt wird oder nicht ihrer eigentlichen Qualifikation entspricht. Die meisten müssen absolut von Null anfangen. Ich finde das absurd, weil ich in unseren Programmen sehe, was sie können. Eine geflüchtete Person kostet den Staat über 100.000 CHF pro Jahr und wir legen den Menschen so viele Steine in den Weg, dass sie einfach keinen Job finden. Das ist ein System, das für mich nicht aufgeht. Unternehmertum bietet ihnen in diesem System einen Weg, ihren eigenen Job zu kreieren. Und dabei können wir sie unterstützen.

Valeriana: Was sind die Chancen und Hürden, wenn sich Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte als Unternehmer*in in der Schweiz etablieren möchten?

Tina: Eine Chance ist auf jeden Fall, dass du eine Arbeit machen kannst, die dir Spass macht. Es ist schwierig zu messen, aber was wir ganz krass bemerken bei unseren Programmen, ist die Steigerung des Selbstwerts. Das ist echt enorm! Die Leute kommen anfangs geduckt, sprechen leise und am Schluss stehen sie mit stolzer Brust auf der Bühne und pitchen ihre Businessidee. Sie wissen «Hey, ich bin’s!» Die Entwicklung in nur einem halben Jahr ist total toll. Das können sie sich selbst verdanken, weil sie komplett ins kalte Wasser springen und etwas Neues versuchen.
 
Von der staatlichen Seite gibt es besonders viele Hürden. Viele geflüchtete Menschen sind logischerweise anfangs beim Sozialamt gemeldet. Und erst ab einem F-Status kann man in der Schweiz gründen. Sobald man eine Firma gründet, gibt das Sozialamt einem vom ersten Tag an kein Geld mehr. Und nicht einmal das erfolgreichste Start-up ist vom ersten Tag an so erfolgreich, dass man davon leben kann. Das ist einfach total unmöglich. 

Wir haben in Zürich und in Genf Pilot-Projekte gestartet, zum einen mit einem syrischen Gründerpaar, die ein Catering betreiben. Die möchten unbedingt ihr eigenes Geld verdienen und weg vom Sozialamt. Und wir haben zusammen mit der AOZ einen Antrag an das Sozialdepartement gestellt, damit sie eine Firma gründen und trotzdem beim Sozialamt bleiben können. Das bedeutet, dass sie angeben, wie viel sie pro Monat verdienen, und die Differenz vom Sozialamt bekommen. Bisher sieht es damit ganz gut aus. Es wäre toll, wenn sich diese Herangehensweise etablieren könnte, um da zumindest schon mal einen Stein aus dem Weg zu räumen.

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Valeriana: Wie würdest du den Social Impact für eure Zielgruppe beschreiben? 

Tina: Den grössten persönlichen Impact haben wir sicherlich auf den Selbstwert und das Selbstbewusstsein. Sozial gesehen, halte ich die Kontakte, die sie im Programm knüpfen für sehr wichtig. Im Durchschnitt lernen die Teilnehmer*innen 35 wertvolle neue Kontakte kennen.

Valeriana: Was ist deiner Ansicht nach besonders wichtig, damit Integrationsarbeit erfolgreich ist?

Tina: Es ist schon ein Erfolg, wenn man einander kennenlernt und aufeinander zugeht. Es braucht echt nicht viel. Es ist ja auch kein Wunder, dass in den abgeschiedensten Regionen in der Schweiz die Leute leben, die «Angst haben vor den Ausländer*innen». Was man nicht kennt, macht einem Angst und das ist menschlich und von der Natur her gegeben. Das Zusammenbringen hingegen hilft dabei zu zeigen «die sind gar nicht so anders als ich». Das ist das, was wir machen, wir bringen die Leute zusammen. 

Valeriana: Was kann jede*r Einzelne tun, um eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen und mitzuwirken? Was wäre dein Call-to-Action? 

Tina: Einfach versuchen, offen und ohne Angst auf Leute zuzugehen und diesen Reichtum des Austausches zu erfahren. Ich denke, jeder Mensch, der das nicht erlebt, verpasst etwas.

Fotos z.V.g. von SINGA Switzerland

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