Integration Eine kleine (Im)Migrationsgeschichte der Schweiz

Was bedeutet es, Schweizer oder Schweizerin zu sein? Egal, aus welchen Gründen du dich zu diesem kleinen Fleckchen Erde zugehörig fühlst, wenn man es genau nehmen will, haben alle Schweizer*innen tatsächlich eines gemeinsam (und zwar völlig ohne in die Klischee-Schublade zu greifen): einen Migrationshintergrund. Wir erzählen dir wieso und nehmen dich mit auf eine Reise durch die – im wahrsten Sinne des Wortes – bewegte Geschichte der Schweiz.

Unser kleiner Ausflug startet bereits ziemlich rasant mit der nächsten Frage: Was bedeutet es eigentlich, „Ausländer*in“ zu sein? Schaut man sich die Schweizer Geschichte an, hat sich diesbezüglich definitionstechnisch viel getan: zum Beispiel galt man bis 1848 (dank kantonaler Bürgerrechte) bereits als Ausländer*in, wenn man vom Glarnerland nach Zürich zog (und wessen Familie ist nicht schonmal von einem in den anderen Kanton migriert?). Erst seit 1915 gibt es einen Schweizer Pass, der ganz klar Menschen als Ausländer*innen definiert, die von der anderen Seite der Landesgrenze kommen.

Im Verlauf der Geschichte wurde durchaus sehr unterschiedlich auf diese Menschen reagiert: 1914 beispielsweise erreichte der Anteil an Ausländer*innen an der Schweizer Bevölkerung einen neuen Höchststand von 600.000 Menschen bzw. 15 Prozent. Interessanterweise war das auch die Zeit, in der die Schweiz zu einem der reichsten Länder der Welt avancierte. Die Wirtschaft hatte also eine wahre Freude an den Migrant*innen, die ihre Energie und Arbeitskraft in das ökonomische Wachstum steckten. Politisch war sogar eine „Zwangseinbürgerung“ im Gespräch, um die ausländischen Arbeitskräfte auch langfristig im Land halten zu können.

Ein Mehr von Menschen mit Migrationsvergangenheit hat jedoch schon immer auch ein Mehr an Gefühlen ausgelöst – solidarische und ablehnende. Dabei ist schnell vergessen, dass die Schweiz ebenso Zeiten grosser Abwanderungsbewegungen hinter sich hat. Zwischen 1815 und dem Ersten Weltkrieg verliessen rund 1 Millionen Menschen den Schweizer Raum, um Armut und Perspektivlosigkeit zu entfliehen. Sie bekamen damals sogar ein eigenes Medium: die Berner Auswandererzeitung „Der Colonist. Organ zum Schutze, Beistand und Belehrung schweizerischer Auswanderer“ (erschienen 1853).

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Setzt man den Weg auf dem Zeitstrahl fort, bietet sich immer wieder dasselbe Bild: Menschen kommen, gehen und bleiben. Aber unbewegt und still war die Schweizer Geschichte nie – bis heute. In Zahlen ausgedrückt: Seit den 80ern steigt die Zahl der Migrant*innen in der Schweiz konstant an. Dabei führen Menschen mit italienischem Migrationshintergrund (16.7 %) die Liste vor Menschen aus Deutschland (15.5 %) und Portugal (12.5 %) an. Gleichzeitig lebte Ende 2020 ungefähr jede*r zehnte Schweizer*in im Ausland.

Migration war also noch nie eine One-way-street und Aus- und Einwanderungsbewegungen für die Schweizer Gesellschaft ebenso formgebend wie tektonische Plattenverschiebungen für die Schweizer Landschaften.

PS: Gerne nutzen wir diese Fussnote für ein Chapeau: Mit „Schweizer Migrationsgeschichte – von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (2018, ISBN 978-3-03919-414-8) haben die Autor*innen André Holenstein, Patrick Kury und Kristina Schulz die Migrationsgeschichte der Schweiz ausgerollt und gut lesbar zu Papier gebracht. Diese Story basiert zu grossen Teilen auf ihrer grossartigen Recherchearbeit. Wenn du mehr wissen willst, legen wir dir ihre Abhandlung wärmstens ans Herz!

PPS: Weitere für diesen Beitrag genutzte Quellen findest du hier und hier.

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